Interview mit Manfred Stern, Yaskawa

Interview mit Manfred Stern, Yaskawa

„Basis für die nächste
Gerätegeneration“

Vor drei Jahren hat der japanische Yaskawa-Konzern den Steuerungsanbieter Vipa übernommen. Ist die Integration abgeschlossen? Wie wirkt sich das im Portfolio aus? Und welche Rolle spielt Robotik heute für ganzheitliche Automatisierungslösungen? Das SPS-MAGAZIN hat über diese Fragen mit Manfred Stern, Europa-Geschäftsführer und Präsident von Yaskawa, gesprochen.

Um sein Engagement im Bereich der Servicerobotik zu unterstreichen, ist Yaskawa eine strategische Allianz mit Argo Medical Technologies eingegangen. Argo entwickelt, fertigt und vertreibt das System ReWalk für Personen mit Behinderungen der unteren Extremitäten, etwa durch Rückenmarksverletzungen, Multiple Sklerose oder Zerebralparese. Das Gerät ermöglicht das Gehen selbst dann, wenn die untere Körperhälfte völlig gelähmt ist. Das Exoskelett nutzt dabei ein patentiertes Konzept mit motorisierten Beinen, die Knie und Hüfte bewegen. Es kontrolliert die Bewegung durch Anpassungen des Schwerpunktes, ahmt den natürlichen Gang nach und gewährleistet eine funktionale Schrittgeschwindigkeit. Neben dem psychischen Effekt – wieder gehen zu können – wirkt sich die bewegungsunterstützende Funktion von ReWalk auch positiv auf den Körper aus. Mögliche Vorteile sind eine Verringerung des Körperfettanteils, eine verbesserte Funktion von Herz, Darm und Blase, eine bessere Sitzposition sowie geringerer Schmerz und eine verminderte Spastizität.

Herr Stern, seit drei Jahren gehört Vipa zu Yaskawa. Wie steht es um die Einbindung der Steuerungstechnik in Ihr Antriebsportfolio?

Manfred Stern: Für uns war es sehr wichtig, die Steuerungstechnik an Bord zu holen, um dem Bedürfnis vieler Anwender entsprechend als Systemanbieter auf dem Markt aufzutreten. Damit sprechen wir unter anderem mittelständische Unternehmen an, die das komplette Engineering nicht aus eigener Kraft stemmen wollen oder können und bei der Automatisierung nach ganzheitlicher Unterstützung suchen. Diesem Kundensegment bieten wir jetzt abgestimmte Lösungen aus Antriebs- und Steuerungstechnik.

Hinsichtlich der Akquisition galt es zwei verschiedene Welten zu vereinen? Ist das gelungen?

Stern: Ja. Im Rahmen des Zusammenschlusses sind in der Tat ein mittelständisches fränkisches Unternehmen und ein japanischer Konzern aufeinander getroffen. Die größte Aufgabe lag in den vergangenen Jahren darin, Kontinuität hinsichtlich des unterschiedlichen Produkt-Know-hows auf beiden Seiten zu schaffen. Zudem wollten wir bei der Eingliederung die Vipa-Mitarbeiter samt ihrer Identität mitnehmen und den Spirit des Unternehmens behalten – schließlich sollte dieser nicht beschnitten werden, sondern in der großen Yaskawa-Umgebung aufgehen. Das ist uns aus heutiger Sicht gut gelungen.

Woran machen Sie diesen Erfolg fest?

Stern: Das lässt sich relativ einfach belegen: Wir haben während der Akquisition nicht einen Vipa-Mitarbeiter verloren. Keiner ist auf Grund der Übernahme gegangen – und das in einem Team, in dem einige ursprünglich ganz bewusst zu einem Mittelständler und nicht zu einem Großunternehmen gegangen sind. Dennoch konnten wir sie nun alle in die große Yaskawa-Familie aufnehmen. Die Mitarbeiter sind sie sich ihrer besonderen Rolle in der Konzernstruktur bewusst: Die Steuerungstechnik von Vipa und insbesondere die Chip-Entwicklung haben maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft Yaskawas.

Das heißt auch die japanische Seite wertet das Potenzial von Vipa und der Tochter Profichip entsprechend hoch?

Stern: Ja, auf jeden Fall.

Yaskawa ist neben der Antriebstechnik auch in der Robotik gut aufgestellt. Welche Chancen kann der Zusammenschluss mit Vipa an dieser Stelle bringen?

Stern: Hier zeigt sich ein weiterer Aspekt, warum wir die Steuerungstechnik eng ankoppeln und in Richtung Systeme denken. Die bisherige Zweiteilung – Motion Control sowie SPS auf der einen Seite und Robotersteuerungen auf der anderen – ist traditionell gewachsen, aber nicht in Stein gemeißelt, wenn man in Richtung Zukunft blickt.

Was hat sich geändert?

Stern: In der Vergangenheit hatten Roboter mit dem Rest einer Maschine oder Anlage nicht gerade viele Berührungspunkte. Mittlerweile ist es anders: Betrachtet man eine moderne Verpackungslinie, dann gibt es dort einen technischen Mix. Alle Förder-, Zuführ- und Handling-Einheiten, die rund um den Kernprozess angeordnet sind, müssen vollständig integriert und exakt aufeinander abgestimmt sein. Da machen dedizierte Steuerungen für Automatisierung, Motion Control und Robotik letztendlich kaum noch Sinn.

Die Integration von SPS und Motion ist ja aber nichts neues.

Stern: Aber durchaus, wenn man auch noch die Robotik miteinbezieht. Und dann haben wir sicherlich einen Vorsprung durch unseren Erfahrungsschatz. Den können wir jetzt auch maßgeblich und grundlegend auf Seite der Chip-Entwicklung einbringen. Unser Ansatz für die Zukunft wird dadurch ganz deutlich: Wir wollen die Plattform vereinheitlichen – SPS, Motion und Robotik. Entsprechend lautet die große Aufgabe für Profichip, gemeinsam mit unserer Grundlagenentwicklung in Japan entsprechende Chips zu designen. Diese bilden dann mitunter die Basis für unsere nächste Gerätegeneration. Wir sehen hier großen Mehrwert für die General Industry. Denn die Robotik, im Automobilbau längst etabliert, erobert zunehmend auch die anderen Industriezweige. Bei der erforderlichen Integration, können wir mit unserem Lösungsansatz dann sehr gut punkten.

Nochmal zurück kommend auf die Vipa-Eingliederung: Vipa positionierte sich in der Vergangenheit mit seinem Angebot nah am Siemens-Portfolio. Sehen Sie darin für die Zukunft eine Chance, quasi als technologische Alternative zu Siemens-Produkten, oder wollen Sie sich von dieser Positionierung eher distanzieren?

Stein: Wir gehen mehrgleisig vor: Nach wie vor wird es auch für die Siemens-Welt attraktive Produkte im Programm geben und wir werden diese auch weiterentwickeln. Aber wir setzen zukünftig auch verstärkt auf Ethercat, um global gesehen entsprechende Offenheit und Flexibilität anbieten zu können.

Welche Rolle spielt denn der Yaskawa-Bus Mechatrolink in Ihrer zukünftigen Strategie?

Stern: Mechatrolink ist in Japan und China einer der größten Busse und somit in diesen Märkten eine unserer Stärken und eine große Chance. Denn für einen großen Player in Japan und China stehen auch in Europa viele Türen offen, nämlich bei Kunden, die stärker in die asiatischen Märkte liefern wollen. Solche Unternehmen können wir mit unserer mehrgleisigen Strategie umfassend beliefern: mit einer in China und Asien etablierten Lösung sowie passenden Alternativen für Europa.

Yaskawa gilt als Erfinder des Begriffs Mechatronik – ein Begriff, der die Automatisierung in den vergangenen Jahren stark geprägt hat. Nun heißt das Zauberwort Industrie 4.0. Wie bewerten Sie diesen Trend?

Stern: Der mechatronische Ansatz wird heute nicht mehr in Frage gestellt. Er bildet vielmehr die Grundlage um Aufgaben in der Fertigung anzugehen und zu lösen. Mit dem Begriff Industrie 4.0 kommen jetzt weitere Aspekte hinzu: Offenheit, Schnittstellen, Big Data und Cloud oder Security. Das sind alles Erweiterungen, aber keine grundlegenden Veränderungen. Wir haben im Konzernverbund eine Firma mit dem Namen Yaskawa Data, die sich schon seit vielen Jahren mit der Verarbeitung von großen Datenmengen und deren Analyse beschäftigt und sehen uns diesbezüglich gut aufgestellt.

Abschließend möchte ich noch auf einen neuen Begriff aus dem Yaskawa-eigenen Wortschatz zu sprechen kommen: Humatronics. Was steckt dahinter, Herr Stern?

Stern: Humatronics steht für eine Stoßrichtung, die wir z.B. durch die Kooperation mit der Firma Argo vorantreiben. Deren Lösung, eine Kombination aus Automatisierungs- und Antriebstechnik in Form eines Exoskeletts, ermöglicht es querschnittsgelähmten Menschen wieder zu gehen. Das System ist mittlerweile vielfach im Einsatz und gibt Menschen nach einem Unfall oder Krankheit ein großes Stück Lebensqualität zurück. Mit unserer technischen Erfahrung wollen wir das Exoskelett im nächsten Schritt noch deutlich kleiner und leichter machen. Humatronics steht also dafür, verfügbare Technik auch für den Menschen selbst besser nutzbar machen. Jedermann spricht heute davon Maschinen zu bedienen, dabei sollte doch eigentlich eine Maschine dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Das ist der Denkansatz, der dahinter steht.

Vielen Dank, Herr Stern, für das Gespräch.


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