Simulation und virtuelle Inbetriebnahme

Simulation und virtuelle Inbetriebnahme

Der Materialfluss des
digitalen Zwillings

Für die virtuelle Inbetriebnahme von Steuerungssystemen werden echtzeitfähige Hardware-in-the-Loop-Simulationen benötigt. Der Materialfluss als Bewegung von Stückgütern in einer Fabrikanlage ist hier ein rechenintensives Element. Bereits existierende Modellansätze unterscheiden sich bezüglich Rechenaufwand und Realitätsnähe. Ein neuer Ansatz ist schneller in der Berechnung: Er betrachtet den Materialfluss als Flussmodell auf makroskopischer Ebene. So bleibt die Rechenzeit unabhängig von der Anzahl der Stückgüter konstant und es werden realitätsnahe Simulationsergebnisse erreicht.

Überblick verschiedener Materialflussmodelle für Stückgüter Bild: Universität Stuttgart

Bei einer Hardware-in-the-Loop-Simulation (HiL) werden echte Geräte in eine Simulation eingebunden. In der Steuerungstechnik werden solche Simulationen vor allem für die virtuelle Inbetriebnahme der Steuerung genutzt. In diesem Fall wird eine Maschine oder Anlage simuliert und das reale Steuerungssystem mit dem Steuerungscode per Feldbus angeschlossen. Auf diese Weise kann der Code entwickelt und validiert werden, ohne dass die echte Maschine benötigt wird und ohne dass sie beschädigt werden kann. Es wird außerdem das zeitliche Zusammenspiel zwischen Steuerungssystem, Feldbus und Maschine getestet. Die Simulation muss aber besondere Anforderungen erfüllen, damit das Steuerungssystem keinen Unterschied zwischen realer Maschine und Simulation feststellt: So sind alle Signale bereitzustellen, die sonst von der realen Maschine produziert werden – und diese Signale müssen zeitdeterministisch und in Zyklen bis 1ms generiert werden.

Geschwindigkeitsfeld eines Förderbands mit Regler Bild: Universität Stuttgart

Materialflusssimulation für die virtuelle Inbetriebnahme

Beim Materialfluss muss im Rahmen der virtuellen Inbetriebnahme die Materialgröße berücksichtigt werden: Die Berechnungen im Rahmen der Simulation unterscheiden sich je nachdem, ob es um Flüssigkeiten, Schüttgut oder einzelne Stückgüter geht. Für Stückgüter existieren bereits mehrere Berechnungsmodelle:

  • • Das ereignisbasierte Modell konzentriert sich auf die Reihenfolge der Abläufe.
  • • Das kinematische Modell berücksichtigt die Geometrien der Objekte.
  • • Das physikalische Modell bezieht zusätzlich Kräfte, Momente und Massen ein.

Da das physikalische Modell am exaktesten rechnet und am meisten Informationen berücksichtigt, ist auch die benötigte Berechnungsdauer am größten. Insbesondere die Berechnung von Kollisionen ist sehr aufwändig. Werden Anlagen mit vielen Gütern simuliert, so kann der Echtzeittakt nicht mehr eingehalten werden. Eine Anlage mit vielen Gütern kann aber anstatt auf mikroskopischer Ebene (einzelne Güter) auch auf makroskopischer Ebene (Gesamtheit der bewegten Güter) betrachtet werden. Bei letzterer wird der Materialfluss analog zu einem Fluid betrachtet, die genaue Position und Bewegung einzelner Güter wird nicht bestimmt. Der große Vorteil eines Flussmodells ist die von der Güteranzahl unabhängige Berechnungsdauer. Somit spielt es keine Rolle, wie viele Güter sich in einer Anlage befinden.

Güterbewegung als Flussmodell

Im Flussmodell, das am ISW der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für wissenschaftliches Rechnen der Universität Mannheim entwickelt wurde, werden die Güter als 2D-Dichteverteilung dargestellt – je mehr Güter in einem Bereich vorhanden sind, desto größer ist die Dichte. Da die Güter nicht verschwinden, sondern deren Anzahl konstant bleibt, muss auch die Summe der Dichteverteilung konstant bleiben. Die Umgebung wird als ein Geschwindigkeitsfeld beschrieben, wobei Förderbänder oder ähnliches ihre Geschwindigkeit vorgeben und Hindernisse durch eine abstoßende Geschwindigkeit dargestellt werden. Zu dieser statischen Geschwindigkeit kommt eine dynamische Geschwindigkeit dazu, die durch die Interaktion der Güter untereinander entsteht. Die Güter stauchen sich erst auf eine maximale Dichte an bevor eine Abstoßung stattfindet. Sowohl die Geschwindigkeitsfelder als auch die Dichteverteilung werden in einem Gitter betrachtet.