Möglichkeiten und Grenzen

Roboterbasiertes Entgraten mit Druckluftspindeln

Möglichkeiten und Grenzen

Metallverarbeitende Betriebe, insbesondere Automobilzulieferer, stehen seit jeher unter großem Kostendruck. Wer seine Produktion nicht ins Ausland verlagern will, versucht die Produktivität zu steigern. Großes Potenzial liegt dabei zweifellos in der Automatisierung der Produktionsprozesse. Eine kostengünstige
Lösung hierfür ist das roboterbasierte Entgraten mit Druckluftspindeln.

 (Bild: BIAX Schmid & Wezel GmbH & Co.)
(Bild: BIAX Schmid & Wezel GmbH & Co.)

Nachdem die größten Anwendungsfelder wie Schweißen oder Handling bereits weitgehend automatisiert sind, rücken vermehrt auch Nischenanwendungen wie etwa das Entgraten in den Fokus. Dieses gilt seit jeher als nicht wertschöpfend, lässt sich aber bei vielen Herstellungsprozessen nicht vermeiden. Eine der kostengünstigsten Automatisierungslösungen ist dabei das roboterbasierte Entgraten mit Druckluftspindeln. Auf diese Nische hat sich das schwäbische Familienunternehmen Schmid & Wezel spezialisiert, dass unter der Marke Biax Druckluftspindeln herstellt und vertreibt. Eines von vielen Beispielen für eine gelungene Prozessautomatisierung liefert die Firma IDS Casting Service. IDS ist ein Lohnfertiger, der täglich mehrere tausend Aluminium-Druckgussteile der Albert Handtmann Metallgusswerke in vier Roboterentgratzellen bearbeitet. Noch vor einigen Jahren wurde manuell entgratet, bis Reinhard Maier, kaufmännischer Leiter bei IDS, die Automatisierung selbst in die Hand nahm. Seither arbeitet das Unternehmen dreimal schneller und zweimal günstiger als von Hand. Hinzu kommt, dass es fast keinen Ausschuss mehr gibt und die Qualität des Arbeitsergebnisses konstant bleibt. Doch nicht jeder Betrieb verfügt über versierte Spezialisten und ausreichendes Know-How, um ein Automatisierungsprojekt aus eigener Kraft zu stemmen. In diesem Fall bietet sich die Zusammenarbeit mit externen Systemintegratoren an. In jedem Fall ist es hilfreich, einige grundsätzliche Dinge über das roboterbasierte Entgraten zu wissen.

Aufbau einer Entgratzelle

Die Entgratzelle mit Roboter ist normalerweise fester Bestandteil einer automatisierten Transferstraße. Die zu entgratenden Bauteile werden dabei automatisch dem Roboter zugeführt. Dieser greift dann Teil für Teil und führt es zu einer oder mehreren fest installierten Spindeln. Würde der Roboter die Spindel führen, müsste jedes einzelne Bauteil erst einmal fixiert werden, was einen unnötigen Zeitverlust darstellt. Daher findet das nur bei sehr großen Bauteilen Anwendung. Es werden bevorzugt druckluftbetriebene Spindeln eingesetzt, da sie im Vergleich zu Elektrospindeln deutlich preiswerter, vom Gewicht her leichter und kompakter sind. Auch lassen sich mit Druckluftspindeln viel höhere Geschwindigkeiten erzielen, als mit Elektrospindeln.

Die verschiedenen Werkzeuge und Spindelarten

Grundsätzlich lassen sich, je nach Werkstück und gewünschtem Ergebnis, sehr unterschiedliche Bearbeitungswerkzeuge wie Frässtifte, Bürsten, Feilen, Senker und Schleifkörper einsetzen. Am häufigsten verbreitet ist sicherlich das Entgraten mit Frässtiften und Bürsten für feste bzw. lose Grate. Feilen kommen meist dann zum Einsatz, wenn nur ein sehr geringer Materialabtrag erlaubt ist. Senker werden zum Entgraten von Bohrungen verwendet. Die Spindeln können starr sein oder mit einer radialen bzw. axialen Auslenkeinheit eingesetzt werden. Die Auslenkeinheit wird insbesodere dann erforderlich, wenn Bauteiltoleranzen und Ungenauigkeiten in der Positionierung des Werkstücks ausgeglichen werden müssen. Ersteres ist gerade für Gussteile typisch, egal ob aus Metall, Kunststoff oder Faserverbundwerkstoff, da diese im Gegensatz zu Graten von bearbeiteten (zerspanten) Teilen in der Regel sehr ungleichmäßig sind. Die Auslenkung wird pneumatisch oder über Federpakete erzeugt, die Auslenkkraft lässt sich über Druck bzw. Federvorspannkraft einstellen.

Ergebnis und Hindernisse

Martin Erle, Automatisierungsexperte bei Biax, definiert das bestmögliche Ergebnis beim automatisierten Entgraten wie folgt: „eine gleichmäßige und gleichbleibende Entfernung des Grates bei sich wiederholenden Bauteilen“. Beispielsweise wird durchgängig eine Fase von 0,5mm erzeugt und diese ist bei allen Bauteilen identisch. Diverse Faktoren wie das Werkzeugsystem, die Bauteiletoleranz, die Beschaffenheit des Grates, der Roboter und seine Programmierung sowie die Spannmittel bzw. der Greifer, haben Einfluss auf die Genauigkeit des Ergebnisses. Zu den häufigsten Entgrataufgaben gehört die Entfernung eines losen Grates oder das Erzeugen einer undefinierten Phase. Hierfür empfiehlt Erle grundsätzlich die Verwendung eines flexiblen Systems (Bürste, Feile und/oder Auslenkung). Bei nur geringer Bauteil- und Positionstoleranz sollte aber ein starres System eingesetzt werden, da es sauberer und genauer arbeitet, ein besseres Ergebnis bringt und in der Anschaffung günstiger ist. In diesem Fall ist es sogar möglich, eine definierte Fase zu reproduzieren. „Problematisch wird es erst, wenn bei großen Toleranzen eine definierte Fase erzeugt werden soll“, so der Experte. Hierfür gebe es zwar einige Lösungsansätze, diese seien aber (noch) sehr aufwendig und heben den Produktivitätsgewinn der Automatisierung wieder auf. Denkbar wären etwa der Einsatz von Werkzeugen mit Festanschlag, das Fahren mehrerer Bearbeitungsschleifen oder eine exakte Vermessung (Scan) der Bauteillage/Bauteilmaße eines jeden Bauteils.

Entgratprozess automatisieren?

Für Interessenten, die ihre Entgratprozesse automatisieren möchten, bietet Biax einen einmaligen kostenlosen Beratungsservice: nach Einsendung des Bauteils prüft das Unternehmen die Machbarkeit mit ihrem hauseigenen Fanuc-Roboter und gibt eine konkrete Empfehlung hinsichtlich Werkzeug, Spindel und Vorschubgeschwindigkeit ab. Das sind sehr wertvolle Informationen, die bei der Programmierung viel Zeit und Geld sparen können. Auch eine Beratung vor Ort ist möglich, wenn das Bauteil nicht herausgegeben werden darf. Biax bietet dabei auch eine Vielzahl verschiedener Entgratspindeln ant. So hat das Unternehmen jüngst mit dem RSC-Modular-System ein Entgratsystem nach dem Baukastenprinzip auf den Markt gebracht: Hiermit lässt sich in Abhängigkeit von der Anwendung eine individuelle Lösung zusammenstellen. Der Anwender zahlt also nur für das, was er wirklich braucht und kann später kostengünstig nach- bzw. umrüsten. Es gibt diverse gerade und gewinkelte Druckluftspindeleinsätze mit Geschwindigkeiten von 10.000 bis 100.000 Umdrehungen pro Minute sowie eine oszillierende Spindel für Feilen. Diese werden immer in ein Kupplungsteil eingesetzt. Optional stehen eine radiale und eine axiale Auslenkung zur Verfügung. Neben den Beschaffungskosten verringern sich auch die Lagerkosten, da nur die Spindeleinsätze und nicht das komplette System für den Notfall vorzuhalten sind.


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