Mit IoT Gateways vernetzt produzieren

Mit IoT Gateways vernetzt produzieren

Bestandsanlagen fit für Industrie 4.0 gemacht

Neue Industrie 4.0-Werke auf der grünen Wiese zu errichten, ist für kleine und mittelständische Unternehmen kaum machbar. Um alte und neue Maschinen ohne Eingriff in die bestehende Automation dennoch transparent zu betreiben, bietet sich der Griff zu sogenannten IoT Gateways an. Diese schaffen durch gezielte Datenerfassung und -weiterleitung an Analysesysteme die Grundlage, auch in Anlagen ohne Konnektivität die Overall Equipment Effectiveness nachhaltig zu verbessern.

Den Nutzen seiner IoT-Lösung erprobte Bosch Rexroth bereits bei einer Reihe von Pilotprojekten. Im eigenen Werk Homburg wurde etwa ein Prüfstand für Hydraulikventile nachträglich mit Sensoren ausgestattet, um die Qualität des Hydrauliköls in Echtzeit zu erfassen und regelbasiert zu überwachen. Dazu wurde die nachgerüstete Sensorik über ein IoT Gateway mit verschiedenen Softwaremodulen vernetzt, etwa mit dem Production Performance Manager und dem Production Rules Configurator von Bosch Software Innovations sowie dem Maintenance Support System von Bosch Packaging Technology. Mit der frühen Erkennung produktionskritischer Verunreinigungen durch Metallpartikel reduzierten sich die Ausfallzeiten um fünf Prozent, die Instandhaltungskosten um 25 Prozent. Angesichts einer Amortisationszeit von nur 1,5 Jahren wurden mittlerweile alle weiteren 24 Ölprüfstände gleichen Typs vernetzt. Pro Anlage benötigte ein Betriebselektriker dafür nur einen halben Tag.

Mehr Produktivität, höhere Verfügbarkeit, verbesserte Qualität – die Overall Equipment Effectiveness (OEE) zu steigern, gehört zu den zentralen Stoßrichtungen von Industrie 4.0. Während Neumaschinen dieses Ziel meist durch weitreichende Konnektivität unterstützen, fehlen in Deutschland bei schätzungsweise mehreren zehn Millionen funktionstüchtigen Installationen erforderliche Voraussetzungen. Es mangelt ihnen an geeigneter Sensorik, Software oder Schnittstellen.

Ohne Eingriff in die Automation

Die Frage für Anwender, Maschinenbauer und Serviceanbieter ist folglich, wie sich die OEE-Potentiale auch im Altbestand heben lassen, ohne bis zum nächsten Investitionszyklus warten zu müssen, was mitunter 20 Jahre und länger dauern kann. Ein kostenintensives Retrofit? Kommt ebenfalls häufig nicht in Frage, weil etwa die Software-Dokumentation fehlt, die einstigen Programmierer nicht mehr greifbar sind, oder die Maschinenlogik aufgrund von Zertifizierungen nicht verändert werden darf. Doch es gibt andere Wege, wie Maschinenstatus und Produktionsprozesse ohne Eingriff in die bestehende Automatisierungsinfrastruktur transparent und auswertbar werden.

Vernetzung via IoT Gateway

Eine solche nicht-invasive Vernetzung des Maschinenbestands lässt sich mit nachträglich angebrachten Sensoren und einer Softwaregattung namens ‚IoT Gateway‘ erzielen. Das Kürzel ‚IoT‘ steht für das Internet der Dinge und Dienste (Internet of Things), der englische Begriff ‚Gateway‘ für den Schnittstellenaspekt. Im konkreten Fall der Industrie 4.0 verbindet ein IoT Gateway folglich verschiedene Geräte der Maschinenebene mit übergeordneten IT-Systemen einschließlich MES und Cloud-Diensten. Die Grundaufgabe des IoT Gateway ist es, Daten von ‚unten‘ zu sammeln, zu selektieren und zur Analyse, Auswertung und Visualisierung nach ‚oben‘ weiterzuleiten.

Die passende Lösung wählen

Welche Eigenschaften für eine möglichst universelle und schnell einsetzbare Anwendbarkeit entscheidend sind, zeigt das Beispiel von Bosch Rexroth. Für den Einsatz im Produktionsumfeld liefert der Automatisierungsanbieter sein IoT Gateway im Standard mit der schaltschrankfähigen eingebetteten Steuerungshardware Indracontrol XM aus. So lassen sich einerseits die Echtzeit-Anforderungen erfüllen, andererseits lässt sich die Lösung mittels skalierbarem E/A-System Indracontrol S20 auch zu einem kompletten Automatisierungssystem erweitern.

Konnektivität nach unten

Für die Konnektivität in Richtung Maschinenebene sollte ein IoT Gateway möglichst alle Arten vorhandener und nachträglich ergänzter Industriesensorik erfassen können – ob analog oder digital, kabelgebunden oder drahtlos. Über Protokolle wie USB, Wifi oder Bluetooth LE lassen sich so unter anderem auch multifunktionale Sensoren wie Bosch XDK oder CISS anschließen. Wenn Steuerungsdaten gesammelt werden sollen, verbindet sich die Bosch Rexroth-Software auch auf Third Party-Steuerungen, zum Beispiel von Siemens, Rockwell oder Beckhoff. Ergänzend dazu stehen der I4.0-Standard OPC-UA und sein Vorgängerprotokoll OPC DA zur Verfügung.

Konnektivität nach oben

Cloud-seitig unterstützt das IoT Gateway die Plattformen Microsoft Azure, Oracle IoT Cloud, Bosch IoT Cloud und – via PPM – Predix von GE Digital. Wer keine komplexen Big Data-Analysen benötigt, oder seine Daten im Unternehmensnetzwerk aufbewahren möchte, zieht vielleicht On-Premises-Lösungen wie den Production Performance Manager (PPM) von Bosch Software Innovations oder den Data Analytics Server (DAS) von Bosch Rexroth vor. Mit dem IoT Gateway als integrativen Bestandteil des DAS kann dieser dasselbe Spektrum an Sensoren direkt auslesen. Umgekehrt lassen sich per DAS analysierte Daten auch via IoT Gateway in die Cloud streamen.

Modulare Software-Plattform

Um das Spektrum möglicher Anwendungen zu erweitern, sollte sich die Konnektivität ein solchen Gateways zielgerichtet erweitern lassen. Die Grundlage hierzu liefert in diesem Fall der modulare Aufbau der Software-Plattform der Lösung auf Basis von Linux und Java. In der Laufzeitumgebung Java Virtual Machine (JVM) lassen sich verschiedene Device-, Processing- und Provider-Apps ausführen, die das Konnektivitätsspektrum bestimmen. Die eigens entwickelte offene Schnittstellentechnologie Open Core Interface gestattet den Java-Apps den direkten Zugriff auf die Steuerungsfunktionen der Hardware. Zur Fernverwaltung stellt das Gateway einen zentralen Update-Mechanismus in Form eines OSGi-Frameworks (Open Services Gateway initiative) bereit.

SDK für eigene Apps

Um die Nutzer bei der Implementierung typischer Use-Cases zu unterstützen, hatte Bosch Rexroth zunächst rund 30 IoT Gateway-Apps entwickelt. Zudem stellt der Hersteller ein Software Development Kit (SDK) bereit, mit dem Java-Entwickler eigene Apps erstellen können. Ein Beispiel: Im Rahmen eines Pilotprojekts entwickelte das Neuendorfer Startup Mirasoft einen Adapter für dessen Cloud-Portal Anyviz, mit dem sich Echtzeit-Prozessdaten besonders einfach aufzeichnen, visualisieren und auswerten lassen sollen. Mit der neuen App brauchen Anyviz-Nutzer nur einmalig Usernamen und Passwort eingeben, bevor das Tool ohne Spezialsoftware eine Datenverbindung zur Maschinenebene herstellt.

Parametrieren spart Zeit

Die Konfiguration und Bedienung eines IoT Gateway setzt idealerweise weder Programmierkenntnisse noch eine bestimmte Nutzer-Hardware voraus. Bosch Rexroth setzt diese Anforderung mit einer Web-basierten Bedienung mittels ‚Dashboard‘-App um. Sie gliedert den Einrichtungsprozess in drei Schritte: zur Datenerfassung definiert der Anwender mittels vorinstallierter Device-Apps seine Eingangsmodule. Zur anschließenden Datenverarbeitung legt er per Processing-Apps fest, wie die Sensor- und Maschinendaten vorverarbeitet und gegebenenfalls mit Zusatzinformationen angereichert werden. Im letzten Schritt wird über die Provider-Apps der Datentransfer an die Zielsysteme bestimmt. Gemäß des Prinzips ‚Parametrieren statt Programmieren‘ dauern kleinere Konfigurationen oft nur wenige Minuten.

Regel- und webbasierte Aktion

Ist auch das angeschlossene Analysesystem eingerichtet, können etwa Maschinenbauer, Anwender und Service-Anbieter regel- und webbasiert über das Monitoring hinaus Aktionen einleiten. Ein Beispiel aus dem Bereich Energiemanagement: Nach längerem Stillstand werden überwachte Werkzeugmaschinen automatisch abgeschaltet und für neue Produktionsaufträge wieder aufgeweckt. Der Motor wird so zum Sensor für unnötigen Stromverbrauch. Bei übermäßiger Leistungsaufnahme deutet der Motor zudem auf Schäden und drohende Ausfälle hin. Im Falle eines ‚Events‘ kann das übergeordnete IT-System automatisch per E-Mail oder SMS ein Wartungsteam beauftragen, das Lager auf Ersatzteile prüfen oder diese automatisiert bestellen. In neuen Service-Konzepten könnte auch der nächste Mitarbeiter eines externen Teams automatisch via Smartphone informiert werden, um seine Tour spontan um diesen Einsatz zu erweitern.

Einstieg mit Knowhow-Transfer

Um produzierenden Unternehmen beim Rollout von Pilotprojekten zu helfen, bietet Bosch Rexroth ein Starter Kit samt IoT Gateway an. Dazu kommt noch Knowhow-Transfer, der von der Auswahl und Definition eines Use-Cases über Software-Support bis zum abschließenden Anwendertraining reicht. Ziel ist es, den einmal entwickelten Use-Case in wenigen Monaten auf weitere Maschinen oder ganze Linien ausdehnen zu können.

Intelligente Lösungen finden

Mit industrietauglichen IoT Gateways können gerade kleine und mittelständische Unternehmen ihr Werk vernetzen, ohne sich mit – am Ende unrealistischen – Modernisierungen zu verheben. Dennoch gibt es Unterschiede in der Wirtschaftlichkeit von industriellen IoT-Lösungen. Maßgeblich für einen schnellen Return-on-Invest und die Zukunftssicherheit sind die Konfiguration und Bedienung sowie die Skalier- und Erweiterbarkeit. Modular aufgebaute Lösungen auf der Basis von Standards wie das IoT Gateway von Bosch Rexroth sind auf diese Anforderungen ausgerichtet. Die Lösung soll Produzenten, Maschinenbauer und Serviceunternehmen in die Lage versetzen, schnell, kosteneffizient und ohne Eingriff in die Automatisierungslogik in die digitale Zukunft einzutreten.

1. Non-invasiv: Software und industrietaugliche Hardware erfordernkeinen Eingriff in die Automation

2. Konnektivität: nach unten (Sensoren und Maschinensteuerungen) und nach oben (übergeordnete IT-Systeme wie MES und Cloud-Services)

3. Plug-and-Run: Web-basierte und intuitive Einrichtung ohne

Programmieren

4. Modular: offene Standards (Linux, Java, HTML5, OPC UA, OPC DA

und andere)

5. Erweiterbar: SDK zur Programmierung spezifischer Apps

6. Zukunftssicher: offene Schnittstellen, Standards und Protokolle (Linux, Java, HTML5, OPC UA und andere)

7. Starter Kit: ergänzender Knowhow-Transfer zu Methodenwissen, Support, Anwendertraining


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