Offene Normen

Offene Normen

Der richtige Weg zu Industrie 4.0

Normen und Standards sind wichtig für die technische Entwicklung und Marktakzeptanz eines neuen Ansatzes wie Industrie 4.0. Doch gerade hier muss ein Normierungsrahmen genügend Spielraum für individuelle Anpassungen lassen, um eine Bandbreite von der Massenfertigung bis hin zur Losgröße 1 zu ermöglichen. Können offene Standards die Lösung sein?
Derzeit vernetzen immer mehr produzierende Unternehmen in Deutschland ihre Fertigungssysteme untereinander sowie mit der Office-IT. Aufgrund fehlender Standards basieren die Lösungen meist auf Eigenentwicklungen und individuell angepassten Technologien. Gerade in Branchen wie Automobilindustrie, Pharma oder Chemie, in der viele Zulieferer in die Herstellung eingebunden sind, benötigen Unternehmen aber möglichst einheitliche Plattformen. Viele Automobilhersteller haben bereits ihre eigenen Plattformen geschaffen. So müssen Partner, die heute mehrere Kunden beliefern, unterschiedliche Lösungen berücksichtigen. Zudem steigt in der Regel der Aufwand für Management und Anpassungen, je proprietärer die Plattform ist.

Zahlreiche Initiativen

Insellösungen behindern auch die umfassende Vernetzung der Industrie. Dies haben die deutschen Normierungsorganisationen erkannt, die bis zum Jahr 2020 Standards für Industrie 4.0 entwickeln wollen. Dieses Ziel ist sehr ambitioniert, läuft aber trotzdem Gefahr von anderen Initiativen hierzulande sowie international überholt zu werden. Schließlich wollen viele Unternehmen nicht so lange warten bis sie einheitliche Plattformen nutzen können. Vor allem in den USA ist bei der Standardisierung viel Dynamik zu erkennen. So arbeitet das Industrial Internet Consortium (IIC) nicht nur mit US-Unternehmen wie Cisco, IBM oder GE zusammen, sondern auch mit internationalen Konzernen wie Samsung, Toshiba oder Fujitsu. Deutsche Firmen wie Bosch, SAP, Siemens und Infineon sowie das Fraunhofer IOSB und die TU Darmstadt befinden sich ebenfalls unter den Partnern. Um wieder mehr Schwung zu holen, hat sich auf der diesjährigen Cebit das Bundeswirtschaftsministerium der deutschen Initiative angeschlossen. Zudem gründeten T-Systems und die Fraunhofer-Gesellschaft mit den Ministerien für Bildung, Wirtschaft und Verkehr den Industrial Data Space für einen offenen und sicheren Datenraum. Auch die Initiativen EEBus und Open Internet Consortium (OIC) kündigten auf der Cebit eine Kooperation an, um die Standardisierung zu beschleunigen. Unter den Mitgliedern sind zum Beispiel Bosch Siemens, Miele, Eon, EnBW, Samsung, GE und Acer.

Wer soll vermitteln?

Parallel dazu arbeiten große Unternehmen wie SAP, T-Systems oder Siemens auch an eigenen Weiterentwicklungen, teils in Partnerschaften. Entsprechend drohen in Deutschland derzeit viele Köche den Brei zu verderben. Auch, dass häufig eigene Geschäftsmodelle als Basis verwendet werden, schafft keinen Mehrwert für eine einheitliche Industrie-4.0-Plattform in Deutschland. Zusätzlich stellt sich die Frage, was mit dem hier dominierenden Mittelstand geschieht. Es besteht die Gefahr, dass er zwischen den verschiedenen Initiativen aufgerieben wird und unterschiedliche Normen erfüllen muss. Schließlich besitzt er nicht die Marktmacht, um eigene Lösungen durchzudrücken. Entsprechend wäre ein neutraler Vermittler nötig, der eine für alle Beteiligten optimale Lösung erarbeitet. Als erster Kandidat käme hier zwar die Plattform Industrie 4.0 in Frage, doch diese scheint zu langsam zu arbeiten. Und solange die teilnehmenden Unternehmen auch mit internationalen Initiativen zusammenarbeiten oder eigene Lösungen entwickeln, bleiben die Erfolgsaussichten fraglich. An zweiter Stelle folgen die Normierungsorganisationen, die jedoch im internationalen Wettbewerb vermutlich zu lange benötigen. Daher bestünde eine dritte Möglichkeit in der Forschung und Lehre, etwa an Vernetzungskonzepten arbeitende Spitzencluster. Doch diese sind wie die Technischen Universitäten Berlin, München und Darmstadt oder die RWTH Aachen bereits im Wissenschaftlichen Beirat der Plattform Industrie 4.0 vertreten. Als vierte Option kommen duale Studiengänge in Frage. So könnten etwa große Hersteller der Automatisierungs- und Robotertechnik mit eigenen Betriebsuniversitäten gemeinsam mit allgemeinen Hochschulen Open-Source-Standards entwickeln.