Verschleiß zeitig registrieren

Verschleiß zeitig registrieren

Überwachung von langsam drehenden Wälzlagern bei RWE

Die RWE Power AG ist eines der führenden Unternehmen der Energiegewinnung und -erzeugung in Deutschland und verfügt dort über mehr als ein Dutzend Kraftwerke. Davon sind neun Kohlekraftwerke in denen die Verbrennungsluft für die Dampferzeuger über Rotationswärmetauscher, sogenannte Luftvorwärmer (Luvo), vorgewärmt wird. Deren Traglager drehen sich sehr langsam und sind extrem hohen Belastungen ausgesetzt.
Selbst kleinste Beschädigungen können sich dort zu großen Schäden mit verheerenden Folgen entwickeln, wenn sie über einen längeren Zeitraum unerkannt bleiben. Ein überraschender Lagerbruch kann sogar zu einem mehrtägigen Stillstand des gesamten Kraftwerks führen. Dies würde zu immensen Zusatzkosten führen, da kurzfristig teurer Strom auf dem Spotmarkt eingekauft werden müsste. Den reibungslosen Betrieb in der Luftvorwärmung sicherzustellen und ungeplante Ausfälle zu vermeiden, ist eine Herausforderung. Den Schadensfall abzuwarten und rein korrektiv zu warten, ist für die Luvo-Großlager keine Lösung. Ebenso wenig sinnvoll ist eine rein präventive Wartung; die bloße Verkürzung der Inspektionsintervalle würde keine absolute Sicherheit bieten und wäre zudem unwirtschaftlich. Der Königweg ist eine vorausschauende Instandhaltung, die vom tatsächlichen Zustand der Traglager ausgeht. Um dieses Konzept bei RWE Power umzusetzen, bedurfte es eines verlässlichen, fortlaufend arbeitenden Prüfsystems.

Intelligente Hardware und viel Mathematik

Hierfür wurde ein automatisiertes Überwachungssystem entwickelt, das selbst kleinste Schäden an den Großwälzlagern registriert. Das einschlägige Verfahren, die Frequenzanalye, war wegen der Umgebungsbedingungen mit teilweise stochastischen Schwingungsanteilen allerdings nicht einfach umzusetzen: Die bei der Überrollung beginnender Wälzlagerschäden entstehenden kurzwelligen, periodischen Stoßimpulse waren nur sehr schwach, während es gleichzeitig eine Menge mechanischer Störsignale und Elektronikrauschen gab, die weit mehr Energie hatten. Mittels mathematischer Verfahren konnte das ungünstige Signal-Rauschverhältnis aber signifikant verbessert und stochastische von periodischen Signalanteilen unterschieden werden. Die Lösung beruht auf der Kombination von besonders rauscharmen elektronischen Bauteilen und speziellen mathematischen Algorithmen. Zunächst werden die an den Wälzlagern mittels empfindlichem Beschleunigungssensor aufgenommenen Signale durch einen hochgenauen, rauscharmem Verstärker gefiltert und demoduliert. Die Signalaufbereitungsgruppe liefert drei Ausgangssignale: Ein erster Signalzweig stellt zunächst nur das verstärkte Rohsignal zur Verfügung. Im zweiten Signalzweig werden durch einen passiven Hochpass mit einer Grenzfrequenz von 9kHz die niederfrequenten Anteile im Signal abgeschwächt, die bei rotierenden Maschinen die höchsten Amplituden aufweisen. Dieses Signal steht als HP-Signal zur Verfügung. Der dritte Signalzweig liefert ein Hüllkurvensignal, das durch einen 40kHz-Hochpassfilter (Butterworth), eine weitere Verstärkerstufe, einen Phasen-Gleichrichter und einen Tiefpass mit 1kHz-Grenzfrequenz erzeugt wird. Die digitale Weiterverarbeitung erfolgt in LabView auf einem intelligenten Datenerfassungssystem (Single-Board RIO). Von hier aus werden die ermittelten Werte über Ethernet automatisch an die Leitstelle des Kraftwerks weitergegeben, in welcher die Überwachung der Grenzwerte stattfindet.

Instandhaltung bereits frühzeitig informieren

Entwickelt wurde das Analyseverfahren mit DasyLab, das standardmäßig eine Vielzahl signalanalytischer Methoden und Verfahren bietet, so dass unterschiedliche Ansätze durchgespielt werden konnten, ohne aufwendig programmieren zu müssen. Ein halbes Jahr lang war ein Prototyp auf PC-Basis im Kraftwerk Niederaußem, einem Großkraftwerk der RWE Power AG, im Einsatz. Das finale System wurde schließlich in LabView auf dem Single-Board RIO realisiert. Das automatisierte Prüfsystem wird künftig in verschiedenen Kraftwerken den Zustand der langsam laufenden Wälzlager der Luftvorwärmer kontinuierlich überwachen und damit die Grundlage für effiziente Instandhaltungsprozesse schaffen. Die aufgenommenen Signale werden in einem festgelegten Rhythmus für einige Minuten analysiert und die Werte via Ethernet automatisch an eine Diagnosezentrale im Kraftwerk weitergegeben. Schon kleinste Verschleißerscheinungen an den Großlagern werden zuverlässig erkannt. Die Grenzwerte sind so eingestellt, dass genügend Zeit ist, die Instandsetzung gezielt zu planen und effizient durchzuführen. Das robuste Prüfsystem läuft autark und benötigt keinen Eingriff von außerhalb, ist aber vor Ort oder vom Leitsystem aus gegebenenfalls über eine Konfigurationsdatei leicht rekonfigurierbar.